Auszug

»Pasta-Zeit!«, ruft Daniela durch die Wohnung. Die Wände reflektieren die Worte und tragen sie den Flur entlang in Wohnzimmer und Büro. Sie schwingen durch die Holzdielen, die den Klang verstärken.

Daniela hat Vollkornpasta mit Antipasti zubereitet. Sarah zuliebe nimmt sie statt Sahne Frischkäse. Sie steckt den Zeigefinger in die Nudeln und leckt ihn ab.

»Schmeckt auch besser!«, kommentiert sie.

Ein verstohlener Blick über die Schulter. Sarah hat es nicht gesehen. Finger im Essen findet sie ekelig. Auch Danielas Finger!

›Oder vielleicht gerade meine?‹, kommt ihr in den Sinn. Sie schüttelt heftig den Kopf und klopft sich die Stirn.

»Andere Gedanken! Andere Gedanken!«

Es ist schwer für sie. All ihr Denken dreht sich nur noch um die Beziehung.

»Einen Moment noch!«, dringt es aus dem Flur an ihr Ohr.

Danielas Ärger nimmt zu.

»Die sitzt bestimmt schon wieder am Computer und liest irgendwelche blöde Akten.«, brummelt sie.
Und: »So nicht, meine liebe Dame!«

Daniela spürt, wie der Ärger ihr Denken bestimmt. Der Kochlöffel scheint zu viel in ihrer Hand. Wirft ihn in die Spüle. Sie will wissen, ob sie Recht hat und schleicht durch den Flur.

An der halb offenen Bürotür bleibt sie stehen. Von dort kann sie den Bildschirm gut sehen. Sie sieht das Fleurop Logo und einige Blumengebinde.

›Blumen für die Neue!‹ Daniela wusste es. Ahnte es.

Sarah dreht sich um.

»Man, musst Du Dich anschleichen? Nun hab ich an der Überraschung keine Freude mehr.«

Danielas Augen werden feucht. Sarah kann das Glitzern sehen, kommt auf sie zu und nimmt sie in den Arm.

»Nicht weinen! Freuen!« Sie gibt Daniela einen Kuss auf die Stirn.

›Früher gab’s die auf den Mund!‹, denkt Daniela. »Früher!«, flüstert sie. Künstlich lächelnd greift nach Sarahs Hand und führt sie in die Küche. Am Ende des Flures dringt ein beißender Geruch in Danielas Nase.

»Verdammt!« Sie lässt Sarahs Hand fallen. »Verdammt! Nur, weil Du immer trödelst und ich Dich ewig bitten muss.«

Sie greift den Topf mit den Antipasti und der Soße. Holt ihn von der Herdplatte. Aus dem Topf steigen dunkle Schwaden verbrannter Lebensmittel. Sie läuft fluchend durch die Küche und wirft den Topf in die Spüle. Als das Wasser in den heißen Topf fließt, entsteht weißer, stinkender Wrasen.

»So ein Dreck! Den Topf kann ich wegwerfen.« Daniela greift den Topfdeckel und lässt ihn krachend fallen. »Kannst Du nicht einmal pünktlich sein? Nicht jeder ist Dir vollends zu Diensten!«

Daniela rennt aus der Küche ins Schlafzimmer, wirft sich auf das Bett und weint eine Mischung aus Wut und Enttäuschung.

Sarah kann die Aufregung nicht verstehen. Was ist daran schlimm, wenn sie ein paar Minuten warten muss. Außerdem hat sie die Zeit nicht nur für sich gebraucht. Sie wollte einen Blumenstrauß zur Entschuldigung bestellen.

»Scheiß drauf. Soll sie sich den selbst besorgen!«

Sie steht im Türrahmen zum Schlafzimmer und betrachtet ihre Partnerin.

Daniela weint häufig. Bei Filmen, wenn sie liest und im Streit. Meistens versucht sie ihre Tränen zu verbergen, stark zu sein. Irgendwann kann sie den Drang nicht mehr beherrschen.

»Wozu Blumen? Geburtstag hast Du nicht und auch sonst gibt es keinen besonderen Anlass!«, schluchzt Daniela. »Wozu Blumen?« Sie dreht sich auf die Seite.

»Die waren für Dich gedacht. Zur Versöhnung!«, will Sarah erklären.

Daniela schüttelt den Kopf.

»Glaubst Du, das ist mit ein paar Blumen erledigt?« Sie setzt sich auf den Bettrand. »Wir haben größere Probleme, als fehlende Blumengrüße.«

Sarah nickt, als wäre ihr das bewusst.

»Magst Du mich noch?«

Daniela zieht einen Mundwinkel herunter und die Augenbrauen hoch.

»Ich weiß nicht!«

In Sarahs Augen sammelt sich das Wasser. Sie setzt sich neben Daniela und streicht unsicher über Danielas Beine.

»Wir sind uns nicht mehr so nah, wie sonst. Du bist immer auf der Arbeit.« Daniela weist durch das Fenster in eine unbestimmte Ferne. »Selbst, wenn du bei mir bist. Ich komme mir wie eine Deiner Fallakten vor.« Sie tippt sich auf die Brust, als wolle sie ihren Namen bezeichnen. »Fall Daniela!«

Die Tränen rinnen ihre Wangen herunter und tropfen auf die Bluse. Mit einer Handbewegung versucht sie, die Feuchte abzuwischen. Doch je öfter sie wischt, desto mehr Tränen laufen nach.

Sarahs Gesicht taucht in eine Mischung aus Angst und Verzweiflung.

»Aber wir lieben uns doch!«, flüstert sie. »Oder nicht?«

»Ja!«, sagt Daniela leise. Und zu sich selbst: »Oder nicht!«

Sie zeigt in Richtung Küche.

»Ich habe das so oft erlebt. Habe so viele Töpfe weg geworfen. Immer muss ich warten, bis Du für mich, für uns, Zeit hast!« Daniela springt von der Bettkante! Greift nach einem Kissen und boxt hinein.

Sarah stellt sich ihr in den Weg. Sie will das so nicht stehen lassen.

»Du bist diejenige, die will, dass alles nach ihrem Wünschen geht!« Sie tippt mit Nachdruck auf Danielas Brustkorb. Ohne, dass sie es bemerkt, hebt sich ihre Stimme. Schwillt an, wird spitz und drohend. Dann schwappt ihr Zorn wie ein Tsunami über ihre Liebe, spült alles gewesene fort.

»Wenn das so schlimm mit mir ist, warum bist Du dann noch bei mir?« Es ist keine Frage, es ist Drohung. Sie weist mit einer ausholenden Armbewegung in den Raum. »Wahrscheinlich, weil es hier so günstig ist.«

Der Ärger und die Enttäuschung in ihrem Gesicht wechseln zu unbändigem Zorn. Ein Zorn, der verletzen möchte. Der es nicht duldet, dass nach der Auseinandersetzung noch etwas von der Beziehung übrig bleibt. Er frisst sich wie brennendes Magnesium durch alles! Zurück bleibt schmutzig graue Wirklichkeit.

»Was kosten Dich Miete, Strom und Heizung?« Sarah formt mit den Fingern einen Kreis. »Null!«

Sarah dreht sich weg und verlässt das Schlafzimmer. Wie ein bockiges Kind stampft sie bei jedem Schritt auf. Die Holzdielen verteilen den Klang auf die angrenzenden Räume und füllen sie mit Zorn.

»So nicht! Das lass ich mir nicht bieten!«, hört sie hinter sich. »Du lässt mich so nicht zurück.« Daniela folgt ihr. Sie fuchtelt mit den Armen, schüttelt den Kopf. Im Flur packt sie Sarah an der Schulter. Zieht sie herum.

»Und wer zahlt Deine blöden Versicherungen und die Einkäufe?« Der Zorn hat von ihr Besitz ergriffen. Sie will nicht reden, sie will zerstören, was übrig ist.

Sarah bleibt stehen und sieht Daniela trotzig an.

»Scheiß drauf! Denkst du, ich kann das nicht selbst zahlen?« Sie zeigt auf die Urlaubsfotos im Flur. Auf die schönen Momente ihrer Beziehung.

»Die Urlaube! Alles habe ich gezahlt. Denkst Du, ich habe eine Druckmaschine im Keller?« Sarah bewegt die Arme, als würde sie eine Kurbel bewegen. »Ach nein! Ihr glaubt ja alle, dass wir Bullen uns an den Asservaten gütlich tun. Hier ein Pfund Koks, dort ein Stapel Geld. Fällt ja keinem auf!« Sie greift in die Leere und stopft sich das in die Hosentaschen. Hass, unbändiger Hass!

»Und dann noch die kleinen Bakschische, damit wir einen Strafzettel verschwinden lassen oder einen Tipp geben.« Sie geht auf Daniela zu. Schreit: »So viel ist das nicht! Das reicht nicht mal für einen Kinobesuch!« Sie schüttelt den Kopf. Die Drohung ist allgegenwärtig, quillt wie übergäriger Sauerteig und schwappt über die Vernunftgrenze.

»Das denkst Du doch!« Sie tippt Daniela vor den Kopf. »Du bist so!« Sie lässt die Hand sinken. In ihren Augen ist jede Spur von Liebe und Zärtlichkeit erloschen.

Daniela ist bleich. Soweit ist es bisher nicht gekommen, so weit hatte sich Sarah noch nie vergessen. Sie musste wissen wie falsch und ungerecht diese Unterstellungen sind. Sie wollte Daniela verletzen und kränken.


Ohne ein Wort zu erwidern, geht sie in das Schlafzimmer, öffnet den Seitenschrank. Holt die große Reisetasche heraus und stopft ein paar Sachen hinein. Es folgen ihre Zahnbürste und ein wenig Schminke aus dem Bad. Im Gehen greift sie in die Hosentasche und lässt einen fünfzig Euro Schein auf den Boden fallen.

»Für die Tasche. Ich melde mich, wenn ich meinen Rest hole.«

»Ja, geh nur!« Sarah wischt sie mit der Hand aus der Wohnung. Aus ihrem Leben! »Das kannst du ja am besten. Sich drücken und nicht dem Konflikt stellen!«

Daniela öffnet zügig die Wohnungstür und geht die Treppe mit schnellen Schritten hinunter.

Vom Podest aus schaut ihr Sarah hinterher. Danny wird sich umdrehen und weinend wieder hoch kommen.

Sie kam nicht!

»Danny, geh nicht! Lass mich nicht allein!« Die Haustür schlägt zu.

Sarahs flehender Ruf klebt an den Wänden, windet sich um die Geländer. Ihre Knie wanken und geben nach. Sie sinkt in sich zusammen. Ihr Gesicht verzerrt sich im Schmerz und formt einen lautloser Schrei.